Sicherlich darf sich jede Pole-Tänzerin in ihrem Leben von mindesten einem pole-verschmähenden Bekannten die Frage stellen lassen, warum man beim Poledance denn nur in “Unterwäsche” an einer Stange tanze, wenn es doch ein ernstzunehmender Sport ist.
Natürlich antwortet die um Seriosität bemühte Akrobatin dann mit der physikalischen Erklärung: nichts klebt so gut an der Chrom-Stange wie nackte, warme Haut, die mit einem leichten (!) Schweißfilm bedeckt ist. Dort wo Latex so stark klebt, dass es die Bewegungsfähigkeit behindert und Stoff so sehr rutscht, das die meisten Tricks nicht mehr möglich sind, erreicht nicht zu trockene, aber auch nicht zu feuchte Haut die perfekte Reibungsvorraussetzung fürs Tanzen an der Stange.
So viel zu Physik. Aber auch hier wenden sich oft diese unwissenden (meist männlichen) Bekannten (mit einem mühevoll unterdrückten Grinser um die Lippen) ab, als hätte man gerade gebeichtet: “Mein Hund hat meine Kleidung gefressen, deswegen tanze ich in Unterwäsche”. Und so manche Tänzerin wählt dann lieber nur die Tricks so, dass man diese auch angezogen tanzen kann, das ist aber sehr traurig, denn hinter dem Halbnackt-sein, steckt noch eines der magischen Geheimnisse dieses Sports, die ihn erst so unglaublich packend machen. Diese wird aber keiner, der selbst noch nie an der Stange trainiert hat, verstehen.
Das Körpergefühl. Könnt ihr euch noch an die Scham der ersten Stunde erinnern, in der man sich plötzlich vor den anderen ausziehen muss? Nichts in der Welt konnte mich dazu bringen, das vor einer Gruppe Unbekannter zu tun – außer Poledance.
Meine Hosen fingen bei einem Dreiviertel Schnitt an, wurden dann aufgekrempelt, weil ich merkte, dass viele Moves damit nicht hielten. Die Stunde darauf überwand ich mich zu einer hochgeschnittenen Trainings-Hotpants. Leider war auch die noch zu lang für viele Tricks, als diese schwerer wurden und musste ebenfalls hochgekrempelt werden.
Groß war die Scham, als ich von einer Pole-Freundin eine pinke Brasilian Pants bekommen hatte. Mein Po schaute an allen Ecken und Enden raus, und das war nicht weil sie eine zu kleine Größe erwischt hatte. Ich zog zwei übereinander an, zur Sicherheit.
Ich verbrachte in den ersten Stunden viel Zeit damit, mein Spiegelbild zu ignorieren. Sah ich mich unabsichtlich an, zog ich aus Schock den Bauch ein und stellte mich gerader hin.
Mit dem Schwerer werden der Moves, begann aber gleichzeitig auch eine Veränderung.
Ich wollte Fotos von meinen Errungenschaften, ich war stolz auf was mein Körper leisten konnte, war glücklich über die Geschwindigkeit in der ich Fortschritte machte. Ich wollte es nicht nur auf Bild oder Video bannen, ich wollte es zeigen, jedem der es sehen wollte.
Nein, ich wurde nicht schlanker und straffer (das geht leider nicht so schnell). Wie mein Körper aussah stand nicht mehr im Vordergrund, sondern was er leisten konnte. Und mit der Zeit sah das auch immer ästhetischer aus, weil ich wusste wie ich mich zu bewegen hatte um das Beste aus dem was ich habe zu machen. So kam das Selbstbewusstsein, vom dem ich niemals gewusst habe, das es fehlt.
Natürlich gehört Ästhetik und oft auch Sexappeal zum Poledance dazu. Die Vielseitigkeit ist eine der Stärken dieses Sports, die einen so süchtig danach macht. Doch es wird auch zu einem Lifestyle, der sich nicht auf das Training mit der Stange beschränkt: Poledancer gehen täglich über ihre Grenzen. Seien es körperliche Grenzen oder psychische. Wir haben gelernt, dass das was wir glauben zu können und zu dürfen, nicht immer der Wahrheit entspricht. Frauen sollen keine Muskeln haben? Wer sagt das!? Beim Sport muss man vollständig bekleidet sein? Erzähl das wem anderen! Wir haben schon viele gesellschaftliche Gesetze für nichtig erklärt, ich bin gespannt, was noch alles kommt.